Grußwort Critical Resistance (USA)

Wir sind sehr erfreut, Prof. Angela Y. Davis anlässlich der Verleihung des ethecon Blue Planet Award 2011 zu würdigen. Prof. Davis ist eine der MitbegründerInnen von Critical Resistance, einer landesweiten Graswurzel-Organisation, die sich der Abschaffung des gefängnis-industriellen Komplexes widmet. Sie ist seit der Anfangsphase unserer Organisation dabei und ist weiterhin eine engagierte Unterstützerin unserer Arbeit sowohl auf lokaler als auch auf internationaler Ebene.

Critical Resistance versucht, eine internationale Bewegung zur Beendigung des gefängnis-industriellen Komplexes zu schaffen, indem der Glaube in Frage gestellt wird, dass das Einsperren und Kontrollieren von Menschen uns sicherer macht. Wir glauben, dass Grundgüter wie Essen, Unterkunft und Freiheit das sind, was unsere Gemeinschaften sicher macht. Im eigentlichen Sinn ist unsere Arbeit Teil weltweiter Anstrengungen gegen Ungleichheit und Machtlosigkeit. Critical Resistance wurde 1997 gegründet, als Aktivisten, welche die Idee anzweifelten, dass Inhaftierung und Überwachung eine Lösung für soziale, politische und wirtschaftliche Probleme sind, sich zur Organisation einer Konferenz trafen, die das untersuchte und in Frage stellte, was wir mittlerweile den gefängnis-industriellen Komplex nennen. Abgehalten in Berkeley, Kalifornien, brachte die Konferenz im September 1998 über 3.500 Aktivistinnen zusammen, AkademikerInnen, ehemalige und gegenwärtige Häftlinge, ArbeiterführerInnen, ReligionsführerInnen, FeministInnen, schwule, lesbische und transsexuelle AktivistInnen, Jugendliche, Familien und politische EntscheidungsträgerInnen aus den ganzen Vereinigten Staaten und aus anderen Teilen der Welt. Prof. Davis war eine Hauptorganisatorin dieser historischen und das Spiel verändernden Konferenz, eine welche die Bewegung wiederbelebt hat, in der sie sich schon lange engagiert.

Mit der Unterstützung von Führungspersönlichkeiten und Aktivisten wie Prof. Davis ist unsere Organisation aus dieser Konferenz entstanden, und die landesweite Organisation erfolgt nun durch ein Gefüge von Ortsgruppen, die durch eine gemeinsame Mission und Organisationsprinzipien verbunden sind. Critical Resistance hat momentan Ortsgruppen in Oakland, Los Angeles, Houston und New Orleans. Unsere Ortsgruppen engagieren sich in einer Vielfalt politischer Arbeit in ihren Gegenden, wo sie daran arbeiten, das lokale Organisieren mit der größeren Bewegung zur Abschaffung des gefängnis-industriellen Komplexes zu verbinden. Wir tun dies durch rigorose und fokussierte Kampagnen, die auf Graswurzelebene die Kräfte schaffen, um gegen die Verbreitung von Strafanstalten, Gefängnissen und Überwachung zu opponieren und gleichzeitig Problemlösungen und die Deckung der Grundbedürfnisse zu fordern, die florierende und selbstbestimmte Gemeinden unterstützen und schaffen.

In Oakland, Kalifornien, sind Critical Resistance und unsere Bündnispartner bei „Stop the Injunctions Coalition“ dabei, den Kampf gegen den Gebrauch von „gang injunctions“, Gang-Verfügungen, in unseren Gemeinden zu gewinnen. Eine Gang-Verfügung ist ein Gerichtsbeschluss, der eine Person oder Gruppe zur möglichen Verhaftung freigibt, welche verdächtigt wird, einer Gang anzugehören, und in einer Gegend lebt oder Zeit verbringt, die zu einer „Sicherheitszone“ erklärt wurde. Diese „Sicherheitszonen“ befinden sich üblicherweise in den ärmsten Nachbarschaften von Oakland, wo die Mehrheit der Bewohner Afroamerikaner oder Latinos sind und Gang-Verfügungen werden in diesen Gemeinden im Wesentlichen zum „Racial Profiling“ genutzt (der Fahndung nach rassischen, daher meist rassistischen Kriterien). Critical Resistance Oakland hat tausende Menschen dazu bewegt, an gemeindebasierten Veranstaltungen, Kundgebungen, Protesten, Stadtverordnetenversammlungen und kulturellen Ereignissen teilzunehmen, um den Widerstand der Menschen gegen polizeiliche Repressionen, Racial Profiling und die Verschwendung öffentlicher Mittel für ein erhöhtes Vertrauen auf Überwachung und Inhaftierung im Namen der „öffentlichen Sicherheit“ zu zeigen. Prof. Davis ist eine Hauptunterstützerin dieser Arbeit gewesen und hat sich uns angeschlossen dabei, bei Kundgebungen, Veranstaltungen und in den Medien die Stimme zu erheben gegen Gang-Verfügungen und für gemeindebasierte Lösungen bei Leid und Gewalt. Ihre Blickwinkel und ihr Fachwissen sind unschätzbar gewesen für den Erfolg unseres Kampfes.

Neben dem Kampf gegen Gang-Verfügungen bekämpfen unsere beiden Ortsgruppen in Oakland und Los Angeles weiterhin die Erhöhung der Ausgaben für das kalifornische Gefängnissystem und den Strafvollzug durch die staatsweite Koalition „Californians United for a Responsible Budget (CURB)“ („Vereinte Kalifornier für ein verantwortungsvolles Haushaltsbudget“). Kalifornien hat das umfangreichste Gefängnissystem in den Vereinigten Staaten, momentan sind über 160.000 Menschen in rund 33 Institutionen eingesperrt. Das beinhaltet nicht die hunderttausende von Menschen, die in Kreisgefängnissen, auf Bewährung und in Jugendgefängnissen sind, sowie ihre Familien und Gemeindemitglieder. Alle Augen haben sich auf Kalifornien gerichtet seitdem der Oberste Gerichtshof der USA die historische Entscheidung gefällt hat, die Kalifornien dazu verpflichtet, innerhalb der nächsten zwei Jahre die Gefängnispopulation um 40.000 zu reduzieren. Als Reaktion auf diese Gerichtsentscheidung versucht der Staat gerade, stattdessen mehr Käfige auf lokaler Ebene zu bauen, daher fordern Critical Resistance und unsere Partner von CURB ein Moratorium für den Gefängnisausbau in Kalifornien.

Critical Resistance ist auch in New Orleans vor Ort und fordert weiterhin die Deckung der Grundbedürfnisse wie bezahlbare Unterkünfte, Gesundheitszentren, Gemeindezentren und Arbeitsmöglichkeiten. Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern in der „Orleans Parish Prison Reform Coalition“ („Reform-Koalition des Orleans-Gemeinde-Gefängnisses“) bekämpft Critical Resistance New Orleans auch unerschütterlich den Ausbau des berüchtigten Orleans-Parish-Gefängnisses. Im Februar 2011 haben wir erfolgreich eine Begrenzung der Insassenzahl und eine gerichtliche Anordnung gegen die städtischen Ausbaupläne durchgesetzt. Wir sehen immer noch, wie der gefängnis-industrielle Komplex in der Golfregion im Süden der Vereinigten Staaten als ein Mittel der Katastrophenhilfe eingesetzt wird, und als Reaktion darauf werden wir weiterhin Volksmacht und politisches Bewusstsein schaffen für wachsende selbstbestimmte Gemeinden und für die Abschaffung des gefängnis-industriellen Komplexes.

Nicht von unserer Arbeit wäre möglich ohne die unermüdliche Arbeit, die großzügige Unterstützung und die brilliante Analyse von gelehrten Aktivisten wie Prof. Davis! Über alle Maße verdient sie, dass ihr lebenslanger Einsatz gewürdigt wird, wie es ethecon mit dem Blue Planet Award tut. Ihr historisches und gegenwärtiges Engagement für die Bildung internationaler Bewegungen hat die notwendige und kritische Sichtbarkeit geschaffen für den Kampf gegen den gefängnis-industriellen Komplex in den USA und die Auswirkungen, die er auf der ganzen Welt hat.

Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank, Prof. Davis!